Schneemangel: Die Zukunft des Wintersports, seine Alternativen und die Konflikte | Einstein | SRF

Schneemangel: Die Zukunft des Wintersports, seine Alternativen und die Konflikte | Einstein | SRF

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. Skifahren - das ist typisch Schweiz. Aber die Klimaerwärmung nimmt uns je länger je mehr den Schnee. Ist Skifahren überhaupt noch zu retten? Es war ein Winter zum Vergessen.

Solche Bilder aus der Schweiz machten weltweit Schlagzeilen. Die Schneearmut brach alle Rekorde. Der Klimawandel beschleunigt sich jetzt.

So extrem wie in den letzten Jahren war es noch nie. Wird das die neue Normalität? Bedeutet das das Ende von tief gelegenen Skigebieten? Es war eine schwierige und turbulente Saison. Nur dank Schneekanonen gab es überhaupt Pisten.

Schon ein paarmal rettete uns der maschinelle Schnee die Saison. Darum wird aufgerüstet am Berg. Ohne Hightech geht fast nichts mehr. Über die Hälfte aller Pisten brauchen künstlichen Schnee.

Und in Zukunft? - Je höher die Temperaturen werden, desto weniger können Schneekanonen eingesetzt werden. V.a. tiefer gelegene Gebiete müssen sich fragen, ob sie das längerfristig machen können. Schneekanonen brauchen viel Wasser, und das in einer Zeit, in der Wasser immer knapper wird.

Sogar das Grundwasser könnte für Pisten angezapft werden. Ich finde es generell kritisch, wenn man Grundwasser anzapft. Wie nachhaltig ist Skifahren? Wie viel bringt erneuerbare Energie in den Wintersportgebieten? Ich bin in Davos und will erfahren, wie ökologisch der Pistenbetrieb heute schon ist ...

... und ob es überhaupt eine Zukunft für den Urschweizer Wintersport gibt. Wir müssen von der Ausrichtung auf Wintertourismus wegkommen. "Einstein" - heute mit: Alles fährt Ski - aber wie lange noch? In der letzten Sendung war ich mit den Pistenmachern von Davos unterwegs. Und ich merkte schnell: Dass es überhaupt eine Piste gibt, ist diesen Winter v.a. dem Kunstschnee zu verdanken.

Patrick Gfeller fährt seit zehn Jahren PistenBully, aber so wenig Schnee wie diese Saison hat er noch nie erlebt. Ich war Mitte Februar bei ihm, in einer Zeit, in der er lange Nächte hatte. Der Grund: das Wetter in den kommenden Tagen.

Diese Woche wird es warm. Solang es noch einigermassen kalt ist, müssen wir die Piste parat machen, damit sie danach die warme Periode übersteht. Gestern waren wir lange dran.

Und heute auch wieder. Jetzt hoffen wir, dass wir so die warmen Tage überstehen können. Dazu kommt: Es war Sportferienzeit.

Will heissen: viele Leute auf der Piste. Durch die Ski und die Snowboards rutscht der Schnee im Laufe des Tages von oben nach unten. In steilen Passagen und an Kanten, an denen häufig gebremst wird, ist die Schneedecke aktuell dünn. Also müssen die PistenBully-Fahrer das Tag für Tag wieder ausgleichen. Es ist unsere Aufgabe, den Schnee wieder hochzustossen, auf die schwachen Stellen zu bringen, sodass wir hoffentlich immer 40 cm haben. 40 cm wären schön. Aber im Moment bringen wir das nicht ganz hin.

Er hat wenigstens Hightech-Support in seinem PistenBully: ein spezielles Schneetiefen- Messsystem, das per GPS funktioniert. So weiss er immer, wo wie viel Schnee liegt. Je nach Farbe hat es weniger oder mehr Schnee.

Im Fokus: die roten Flecken. Es hat nur 30 cm Schnee? Da kannst du nicht tief graben. Nein, wenn du da gräbst, hast du Steine dabei.

Und eben: das trotz Kunstschnee. Auch hier in Davos wurde anfangs Saison grossflächig beschneit. Und das Ziel wäre eigentlich, dass das für die ganze Saison reicht. Und normalerweise ist es ja auch so.

Du machst deine Unterlage und danach gibt es Naturschnee, der dann hilft. Mit dem Naturschnee kann man dann auch die Piste verbreitern. Wir machen mit dem Kunstschnee eine Grundlagenpiste, nicht allzu breit, damit wir aufmachen können. Und danach, wenn wir Naturschnee bekommen, verbreitern wir.

Merkst du beim Pisten den Unterschied zwischen Naturschnee und Kunstschnee? Den merkt man schon gut. Der Kunstschnee ist viel kompakter. Auch schon beim Verteilen. Wenn man den verstösst, ist er gleich fest. Und der Naturschnee hat mehr Luft drin. Für den Skifahrer ist der fast besser, weil er griffiger als der Kunstschnee ist.

Der Kunstschnee wird halt schnell eisig. Darum gibt es aktuell grösseren Aufwand und längere Nächte, um das Beste rauszuholen. Aber in dem Moment fragte ich mich: Was heisst das für die Zukunft, wenn es tendenziell wärmere Winter und weniger Schnee gibt? Und wo bleibt da die Nachhaltigkeit? Immerhin brauchte es hier in Davos diese Saison keine zweite Ladung Kunstschnee im grossen Stil. Aber ohne Kunstschnee könnten es die PistenBullys unmöglich richten. Das ist nicht nur in Davos so. Sattel-Hochstuckli, Mitte Januar.

Der langersehnte Neuschnee ist gefallen. Aber für gute Pistenverhältnisse reicht der Naturschnee nicht. Es braucht den Schnee aus den Kanonen. Das bestätigt uns der Chef der Bergbahnen. Technischer Schnee ist sehr wichtig für uns.

Er hat uns schon oft die Saison gerettet. Mit dem maschinellen Schnee bauen wir Schichten auf, damit die Piste widerstandsfähiger wird, wenn dann mal eine Warmfront kommt. Der Einsatz der Schneekanonen ist hier aber nicht nur eine Frage der richtigen Temperatur, sondern hängt auch vom Wasser ab. Das Wasser ist wirklich limitierend für uns. Es kommt vor, dass wir nicht beschneien können, auch wenn die Temperaturen tief genug sind.

Wir können nicht alle 35 Schneeerzeuger einfach starten. Wir hatten einen sehr trockenen Sommer mit wenig Niederschlag und wir mussten im Dezember schauen, dass wir nicht zu viel Wasser beziehen. Es fliesst auch jetzt relativ wenig Wasser. Andermatt, 8. Februar:

Der Wintersportort gilt eigentlich als schneesicher, aber ohne Kunstschnee geht es auch hier nicht mehr, wie Erich Renner, Gemeinderat und Nachhaltigkeits- beauftragter, bestätigt. Der Skibetrieb, wie er heute ist, wäre ohne Schneekanonen nicht aufrechtzuerhalten. Die technische Beschneiung ist im Moment wichtig. So, wie Wintersport betrieben wird und der Tourismus im Tal aufgestellt ist, hängen sehr viele Arbeitsplätze vom Tourismus ab.

Die Beschneiung ist ein Teil davon. Andermatt hat viel Geld in neue Beschneiungsanlagen investiert. Der Wasserverbrauch der Schneekanonen ist auch hier ein heikles Thema. Noch gibt es genügend Wasser, aber wie sieht es in Zukunft aus? Diese Fragen haben Wissenschaftler- innen der Universität Basel genauer untersucht und mit einem Computermodell Prognosen für das Jahr 2100 erstellt. Da können wir noch das Wasser anschauen.

Dort sieht man, dass es dort sehr viel mehr Wasser braucht. Wir haben ausgerechnet, dass der Wasserverbrauch ohne Klimaschutzmassnahmen von 300 Mio. l auf 540 Mio. l steigen wird.

Wenn wir weitermachen wie bisher, mit dieser Zunahme von 80 % mehr Wasser, hat das Gebiet einerseits die Konzession, dass es einen weiteren Stausee bauen darf. Andererseits dürften sie auch Grundwasser brauchen. Ich finde es generell kritisch, wenn man Grundwasser anzapft, denn das ist Wasser, das wir in Zukunft brauchen könnten, wenn wir generell trockenere Sommer haben werden. Wasser wird immer mehr zum Schlüsselfaktor. Davon ist auch Geograf Thomas Egger überzeugt. Er plädiert für ein umfassendes, überregionales Wassermanagement.

Insbesondere das Wasser ist der limitierende Faktor für die Zukunft. Wir müssen auch im Wasserschloss Schweiz einen neuen Umgang mit der Ressource Wasser pflegen und schauen, dass wir mehr Wasser speichern können, damit die Verfügbarkeit gewährleistet ist. Und weil es verschiedene Nutzungsansprüche gibt, brauchen wir multifunktionale Wasserspeicher. Es geht nicht darum, nur für die Energieproduktion oder nur für die Beschneiung Wasser zu speichern, sondern multifunktional für verschiedene Nutzungen.

Dazu gibt es ein Versuchsprojekt im Wallis: der Lac de Tseuzier. Das ist ein klassischer Staudamm für die Energieproduktion, der als multifunktionaler Speicher ausgebaut wird, z.B. für Bewässerung. Hinten im Tal sind die ganzen Rebberge.

Aber auch die Bevölkerung unten braucht das Trinkwasser. Dort versucht man, am Modellbeispiel die Diskussion zu führen. Das ist er: der Lac de Tseuzier im Wallis.

Ich war letzten Sommer dort, schaute mit Hydrologe Rolf Weingartner das Projekt an und sprach mit ihm über die Wasserversorgung der Zukunft. Wenn Gletscher langsam verschwinden, werden dann Stauseen zu einer Versicherung für uns? Ich denke, die Versicherung ist ganz klar hier. Die Zukunft gehört Speichern im Alpenraum.

Das hat verschiedene Gründe: Der erste Grund ist sicher der Winterstrom, der immer wichtiger wird. Andererseits ist hier das trockene Wallis, einige Kilometer von hier. Das Wasser kann im Sommer für Bewässerung gebraucht werden. Im Moment landen noch nicht alle Wasserquellen aus der Umgebung im Lac de Tseuzier.

Da steckt also noch Potenzial drin, das noch besser genutzt werden kann. Das Ziel: Das Wasser soll vielseitiger genutzt werden. Und da könnten - wenn nötig - auch die Schneekanonen von Crans-Montana versorgt werden. Das Schmelzwasser soll im Frühling weiter oben am Berg gesammelt und in den bestehenden Stausee Tseuzier geleitet werden, als Überschuss für trockene Zeiten. Rund 4 Mio. m3 Schmelzwasser

fliessen so zusätzlich in den Lac de Tseuzier. Dort wird es gespeichert und dann im Juli, August, September freigegeben, wenn es für die Landwirtschaft oder als Trinkwasser gebraucht wird. Es bliebe dann auch genug Wasser für den Winterstrom.

Das Wasser soll auf dem Weg ins Tal turbiniert werden und so Strom für rund 10'000 Haushalte generieren. 50 Mio. Fr. wird das neue Leitungsnetz kosten. Investitionen in die Zukunft: Das ist auch hier in Davos ein Thema. Stichwort Nachhaltigkeit.

Aber sie muss sich auch rechnen. Hier, im Gebiet Rinerhorn, wurde ein neuer Speichersee gebaut, um die künstliche Beschneiung auszuweiten. Ich bin mit Martina Walsoe auf den Skiern. Sie ist Projektleiterin für erneuerbare Energie bei den Bergbahnen Davos Klosters und dafür verantwortlich, dass die Zukunft möglichst nachhaltig wird. Und der Speichersee trägt dazu bei.

Wie viel Wasser speichert dieser See? - 30 Mio. l. 30 Mio. l? Das gibt einige Schneeflocken. Warum habt ihr diesen See hier gebaut? Das Ziel des Sees ist, das Wasser, welches wir am Berg haben, sei es aus dem Niederschlag, der Schneeschmelze oder eben auch das vorhandene Wasser, zu speichern. Wir können dann diesen See für die Beschneiung nutzen.

Es wird dadurch viel effizienter, weil das Wasser in viel kürzerer Zeit zur Verfügung steht. Es muss nicht aus dem Tal hochgepumpt werden. Und so kann natürlich viel Energie eingespart werden. Zusätzlich wurde dieser See etwas höher gebaut. D.h., das ganze Gebiet, das unterhalb liegt, kann viel effizienter beschneit werden, weil mit Eigendruck gearbeitet werden kann.

Im Sommer 2020 fuhren die Bagger auf. Es dauerte anderthalb Jahre, bis der fünfte Speichersee im Skigebiet fertig war. Alle zusammen speichern die Seen unglaubliche 300 Mio. l Wasser. Der letzte Sommer war sehr trocken. Bringt ihr den See überhaupt voll? Ja, wir bringen ihn in relativ kurzer Zeit voll. Allein mit der Schneeschmelze haben wir sehr viel Wasser.

Deshalb ist der See so sinnvoll. Früher mussten wir das Wasser hochpumpen und für die Beschneiung nutzen. Und jetzt haben wir hier einen grossen Speicher. Damit kann man die Beschneiung auch nachhaltiger machen. Ihr holt auch Wasser aus den Bächen in den See.

Ist es kein Problem, von dort Wasser wegzunehmen? Wir haben über mehrere Jahre die Wassermenge in den Bächen analysiert. Dann erhielten wir ein wasserökologisches Gutachten. In dem ist festgehalten, was die minimale und maximale Ausbaumenge für den Speichersee und auch für das Kraftwerk ist. Der See wurde in erster Linie für die Beschneiung angelegt.

Aber nicht nur. Im Sommer könnte man ihn theoretisch auch anders nutzen. Wir planen jetzt hier den Bau eines Kraftwerks. Das sind zwei Turbinen, welche im Tal installiert werden, die mit dem Beschneiungssystem verbunden sind. Das ist keine so grosse zusätzliche Investition.

Aber dadurch können wir mit dem Wasser, wenn wir es nicht zur Beschneiung brauchen, Strom generieren. Abfahrt am Rinerhorn. Und rüber zum Jakobshorn. Gehen wir schauen? - Ja. Auch wenn es unscheinbar aussieht - dieses Gebäude ist heute schon ein Stromkraftwerk - wenn es denn Wasser hat.

Man hört es schon. - Es ist etwas laut hier drin. Hier ist die Turbine. Dieses Wasser kommt von den Speicherseen oben am Berg? Genau. Das Wasserkraftwerk funktioniert wie jedes Wasserkraftwerk: mit kinetischer Energie, mit fliessendem Wasser. Wir haben zwei Speicherseen oben am Berg. Die sind durch Leitungen mit diesem neuen Kraftwerk verbunden.

Schon die jetzige Turbine liefert genügend Strom für 60 % der Davoser Schneekanonen. Mit dem geplanten Kraftwerk am Rinerhorn wird mehr Strom produziert, als die Schneeerzeugung verbraucht. Der einzige Wermutstropfen: Der Strom kann nur selten direkt für die Schneekanonen genutzt werden. Wenn anfangs Saison intensiv beschneit wird, braucht es das Wasser für den Kunstschnee, und es hat kaum übrig, um damit Strom zu produzieren.

Nicht zuletzt deshalb setzen sie zusätzlich noch auf Sonnenenergie. An Traumtagen wie heute kann man da einiges rausholen. Wir fahren zu einem der Sessellifte, bei dem diese Saison eine neue Solaranlage installiert wurde. Der Sonnenstrom wird direkt für die Skilifte gebraucht.

In den nächsten Jahren wird noch massiv ausgebaut. Ihr plant, in den nächsten fünf Jahren 10 Mio. Fr. in Solaranlagen zu investieren. Mit welchem Ziel? Ja, wir setzten uns zum Ziel, 10 Mio. Fr. zu investieren.

Wir erstellten einen Masterplan mit über 40 Standorten von Solaranlagen am Berg. Dabei handelt es sich um bestehende Gebäude, wie eine Liftgaragierung oder auch ein Bergrestaurant oder eine Bergstation. Das Ziel ist, daran zu arbeiten, dass wir unseren Strom selber aus erneuerbarer Energie produzieren können.

Da hört man dann oft, das sei Greenwashing. "Jetzt hängen sie einige Solarpaneele auf und sagen, sie werden nachhaltig." Was würdest du da entgegnen? Ich glaube, wenn man 10 Mio. Fr. investiert und auch über 40 Standorte umsetzt, ist das schon ein Statement von unserer Seite. Zusammen mit diesen Wasserkraftwerken produzieren wir hier doch schon einiges an Strom.

Ich glaube, da sind wir auf dem richtigen Weg. Solarenergie in den Bergen: Das hat tatsächlich Potenzial. Das konnte die ETH in Davos bei diesem Fotovoltaikversuch zeigen. Die Forschenden testeten verschiedene Materialien, unterschiedliche Winkel oder doppelseitige Paneele und verglichen sie mit einer identischen Anlage im Mittelland. Ergebnis: In einem Jahr gibt es in den Alpen anderthalbmal so viel Strom wie im Mittelland, u.a., weil der Schnee die Sonne reflektiert. So wird im Winter mit dem Schnee sogar zweieinhalbmal so viel Strom generiert wie im Flachland - das oft im Nebel ertrinkt.

Auch in Andermatt setzt man auf den Ausbau der erneuerbaren Energien. Solarenergie wird ganz wichtig werden, aber da stecken wir noch absolut in den Kinderschuhen. Windenergie ist schon da, in einem kleinen Windpark. Der soll verdoppelt werden, durch leistungsfähigere Windturbinen. Laufen die gut? - Die laufen sehr gut.

Wir haben meistens Wind, entweder Föhn oder Biswind, z.T. Westwind. Die laufen praktisch immer. Die haben sich bis jetzt sehr bewährt. Andermatt ist heute schon energieautark. Der Ort ist stark gewachsen und setzt weiterhin auf den alpinen Wintertourismus. Aber lohnt sich das auch längerfristig? Wie lange ist der Skiort überhaupt noch schneesicher? Auch mit dieser Frage beschäftigten sich die beiden Forscherinnen der Universität Basel.

Es gibt zwei Indikatoren, die relativ üblich sind, um ein Skigebiet in diesem Sinn beurteilen zu können. Das ist einerseits eine Saisonlänge von 100 Tagen. Der andere Indikator ist, ob man über Weihnachten, Neujahr Ski fahren kann, denn das ist die Hochsaison.

Sie haben im Computer die Pisten Andermatts und ihre künstliche Beschneiung nachgebildet. Die farbigen Schlangenlinien entsprechen dem Pistenverlauf. Das Modell wurde mit Klimaszenarien der nächsten 100 Jahre gefüttert.

Wir haben gesehen, dass sich das Skigebiet Andermatt-Sedrun mit künstlicher Beschneiung relativ gut halten kann. Einzig das Teilgebiet Sedrun liegt etwas tiefer als der Rest. Dort werden die unteren Gebiete und die Talabfahrt langsam kritisch. Andermatt wird also noch lange schneesicher bleiben, und das trotz Klimaerwärmung. Aber zu welchem Preis? Wie nachhaltig ist der Skibetrieb angesichts weniger Schnee und wärmerer Winter noch? Ich treffe Bruno Abegg. Der Geograf beschäftigt sich seit Jahren mit den Folgen des Klimawandels für den Wintertourismus.

Ist es wirklich möglich, dass in Zukunft, auch wenn die Bedingungen schwieriger werden, Wintersport nachhaltig betrieben werden kann? Die Aktivität auf der Piste kann man bestimmt klimaneutral machen. Da sehe ich keine grösseren Probleme. Aber damit schaut man nur einen kleinen Aspekt vom ganzen Erlebnis Skifahren an. Das beinhaltet, dass man hierherkommen muss, dass man hier übernachtet, dass man hier isst, dass man hier andere Aktivitäten macht. Und sowieso beim CO2-Fussabdruck: Nicht das CO2, das entsteht, wenn Sie Ski fahren ist wichtig, sondern es ist in erster Linie die An- und Abreise und in zweiter Linie die Unterkunft und die Verpflegung.

Erst in dritter Linie ist es das, was Sie tun. Bahnen und Schneekanonen werden in der Schweiz in erster Linie mit Strom aus Wasserkraft betrieben. Für das Klima sind die Skifahrerinnen und Skifahrer selbst die grösste Belastung, denn diese kommen meist mit dem Auto.

Bei einwöchigen Skiferien entstehen rund 75 % der CO2-Emissionen bei der An- und Abreise. 15-20 % gehen auf das Konto der Hotels und Restaurants. Nur 5-10 % entfallen auf die Beschneiung, den Betrieb der Lifte und die Pistenpflege. Und im Vergleich zu anderen Urlaubsarten ist die Klimabilanz moderat. Ein Tag Skiurlaub schlägt mit 22 kg CO2-Emissionen pro Person und Tag zu Buche.

Ein Tag Sommerferien per Flugzeug in Spanien kommt auf 159 kg CO2 pro Tag und Person. Und bei einem Langstreckenflug auf die Malediven beträgt der CO2-Ausstoss 454 kg pro Person und Tag. Pistenpräparation und Co. machen es beim CO2-Abdruck also nicht aus. Und in den grossen Gebieten dürften die Millionen-Investitionen in erneuerbare Energien künftig noch zusätzlich helfen. Aber wie machen es die kleineren, tief gelegenen Gebiete, wie Sattel-Hochstuckli? Hier drehen noch keine Windräder, und Solarzellen gibt es kaum. Bei unseren Dreharbeiten Mitte Februar sind dank Schneekanonen zwar zwei Pisten offen, aber sonst war es ein Winter zum Vergessen.

Es war eine schwierige und turbulente Saison. Wir hatten verschiedenste Wetterlagen. Im Dezember war es kalt, Naturschnee. Einen Monat war es viel zu warm, ohne Niederschläge. Dann war es kalt, und jetzt sind wir fast im Frühling, einen Monat zu früh. Das war finanziell eine schwierige Saison.

Wir hatten zwei gute Wochen, aber wenn Weihnachten, Neujahr schlecht sind, fehlt das. Im Winter hat sich Sattel als familienfreundlich positioniert. Der alpine Skisport ist in der Region historisch verankert, der Skiklub eine wichtige Institution. Das ehemalige Schweizer Skiass Nadia Styger lernte hier Ski fahren, und sogar die öffentliche Schule verlagert gerne mal den Turnunterricht auf die Piste.

Das Skigebiet ist sehr wichtig für die Region. Wir sehen uns auch als Beginner-Skigebiet. Auch Leute aus der Agglomeration sollen bei uns Ski fahren können. In den 60er-Jahren erlebte das Skigebiet Sattel seine Blütezeit. Und schon früh versuchte man, auch im Sommer Touristen anzulocken.

1993 entstand eine Sommerrodelbahn - nach langem und zähem Widerstand. Sommertourismus ist sehr wichtig. Das erkannten wir schon vor 30 Jahren.

Wir machen bereits 60 % des Umsatzes im Sommer und den Rest im Winter. Die Mittelstation ist heute eine Erlebniswelt. Als Highlight gilt diese 374 m lange Hängebrücke. Trotzdem bleibt der Wintertourismus wichtig.

Wir werden in Zukunft am Winterbetrieb festhalten. Man kann weiterhin hier Ski fahren. Man muss ganz klar sagen, dass man den Betrieb noch flexibler gestalten und auf Wetterereignisse reagieren muss.

Kurzfristig eröffnen, wenn es geht, aber sich auch eingestehen, dass es bei solchen Temperaturen wie jetzt fast nicht mehr möglich ist, oder nur reduziert. Es braucht also neue Ideen für die Zukunft. Und eine, bei der man im ersten Moment vielleicht die Stirn runzelt, verfolgt das kleine Gebiet Schatzalp in Davos. Hier gibt es nur 11 km Piste - nicht 270 km, wie an den Hängen von Davos Klosters.

Und statt beheizten Sesseln hat man hier den Bügel unter dem Hintern. Noch wie im letzten Jahrhundert. Auf der Schatzalp lief Ende 30er-Jahre der erste Bügellift. Jahrzehntelang war die Schatzalp ein bekanntes Skigebiet, bis es kurz nach der Jahrtausendwende geschlossen wurde. * Fröhliche Ländlermusik * 2009 dann aber das Revival: als Nostalgie-Skigebiet. Es gehört heute zum Hotel Schatzalp.

Hotelier Pius App vermarktet seine Schatzalp als Slow Mountain - das erste Langsam-Skigebiet der Schweiz. Wir haben Aussicht auf den Goliath, das riesengrosse Skigebiet Davos Klosters Mountains. Sie, mit der kleinen Schatzalp, sind David. Wie funktioniert das, neben so einem riesigen Skigebiet? Das haben wir uns auch überlegt.

Wir stellten fest, dass immer mehr Ältere und auch Familien Angst haben, in den grossen Skigebieten Ski fahren zu gehen, weil sie fast überfahren werden. Und dann liessen wir uns hier die Idee Slow Mountain einfallen. Das brauchte ein bisschen Mut.

Viele lachten über uns. "Man kann nicht mit langsamen Skiliften werben." Wir haben das gemacht und haben tatsächlich festgestellt, dass viele Familien und auch viele Senioren dieses Angebot schätzen und deshalb hierhochkommen. Sie beschneien nicht. Sie sind auf den Schnee angewiesen. Wie war das diesen Winter, als er so spät kam? Wir öffneten halt erst, als der Schnee kam.

Es gibt auch viele Leute, die nach Davos kommen, die nicht wegen dem Skifahren kommen. Sie wandern gerne. Das bieten wir als Alternativprogramm an.

Sie haben mit diesem langsamen Skigebiet eine Nische gefunden. Rechnet sich das auch? Das Skigebiet allein rechnet sich nicht. Aber unser botanischer Garten, den wir im Sommer haben, rechnet sich auch nicht. Aber es gehört einfach zum Gesamtangebot Schatzalp.

Zusammen mit Hoteleinnahmen und Co. gäbe es letztlich eine Mischrechnung, und die gehe auf. Auch, weil die Schatzalp nicht völlig vom Schnee abhängig ist. Das Umsatzverhältnis Winter-Sommer liegt bei ca. 50:50. Bei anderen Bahnen in Davos ist das 90 % im Winter und 10 % im Sommer. In Sattel hat der Bergbahnchef Besuch von Thomas Egger von der Arbeitsgemeinschaft für Berggebiete SAB.

Der Verein unterstützt Bergregionen, die sich im Wandel befinden. Der Strukturwandel in Sattel zeigt, was vielen Destinationen in diesen Höhenlagen bevorsteht. Sattel hat gute Voraussetzungen, weil sie schon viel machen, aber die Herausforderungen werden immer grösser. Das sieht man in diesem Winter.

Es hat relativ wenig Schnee - man sieht es im Hintergrund - und Sattel muss auch weiter überlegen. Man kann sich nicht ausruhen. Ich bin zuversichtlich, dass Sattel da ein guter Partner ist. Natürlich ist auch die Höhenlage entscheidend. Sattel ist genau in der kritischen Höhenlage, in der man unbedingt etwas machen muss.

Sattel wird nun im Rahmen des EU-Projektes BeyondSnow genauer analysiert. Wie der Titel besagt, geht es darum, sich zu überlegen, was man machen kann, wenn der Schnee abnimmt oder ganz ausbleibt. Es geht darum, die Regionen und Gemeinden in ihrem Transformationsprozess zu begleiten.

Es müssen strategische Überlegungen gemacht werden, wie man sich auf die neuen klimatischen Verhältnisse einstellt. Da muss man alle vor Ort, von den Bergbahnen über die Tourismusbetriebe bis hin zur Gemeinde, mit an Bord haben. Das probieren wir in diesem Projekt, und zwar alpenweit. Das Skigebiet hat einen grossen Vorteil: seine Nähe zu Zürich. Sein Nachteil: die Höhenlage.

Werden solche tief gelegenen Skigebiete bald ganz verschwinden - und das früher, als bisher angenommen? Klimawandel ist ein schleichender Prozess. Der findet nicht einfach heute statt. Der fand auch schon in vergangenen Jahren statt.

Auch das Skigebietssterben ist schon seit Längerem im Gange. Zahlen, die von der Universität Dortmund kürzlich publiziert wurden, zeigen, dass 40 % aller Skigebiete bereits wieder zugegangen sind. Wenn man jetzt in die Zukunft schaut, werden weitere 40 % aller Skigebiete zumachen, deren Bergstationen unter der kritischen Höhe von 1'500 m liegen. Da ist das Risiko gross, dass diese 40 % verschwinden werden. Alles fährt Ski - das war einmal.

Der einstige Volkssport ist schon heute ein Luxussport geworden. Es gibt aber noch touristisches Brachland. Der Skitourismus wie man ihn aus den 80er-Jahren kennt, der grosse Volkssport, existiert schon heute nicht mehr.

Die Bevölkerung verändert sich, wird immer älter, hat andere Bedürfnisse. Dieses Potenzial hat man bis heute nicht ausgeschöpft. Man spricht im europäischen Kontext vom Silver Tourism.

Man spricht da die grauen Haare an. Das ist ein Wachstumsmarkt, so komisch das klingt. Heute positionieren sich viele Orte als familienfreundlich oder sind auf Jugendliche ausgerichtet, die Sport treiben.

Aber genau dieses Segment hat andere Bedürfnisse. Die wollen eine Region vielleicht kulturell erleben, die wollen kulinarisch etwas erleben, sie setzen sich mit Geschichte und Brauchtum auseinander. So kann man ganz neue Angebote schaffen.

Da sehe ich ein riesiges Potenzial für diese Bevölkerungsgruppe. Auch im schneesicheren Andermatt macht man sich Gedanken über die Zukunft des alpinen Tourismus. (Erich Renner) Der Skitourismus ist ein Teil des Ganzen.

Wir müssen stark auf den Ganzjahrestourismus setzen. Nicht nur in den Betrieben, die involviert sind, sprich Bergbahnen, Hotels und Zweitwohnungsanbieter, sondern auch in der Gemeinde, die stark involviert ist in Zukunftsgedanken, wie man den Jahrestourismus weiter fördern kann, damit ein echter Ganzjahrestourismus entsteht, mit Infrastruktur für schneearme Winter, seien das Indoorangebote oder Spazierwege im Winter. Das kann man noch massiv ausbauen. Da ist ganz viel Luft nach oben.

Zurück auf der Schatzalp, auf dem Lift mit Bruno Abegg. Er beschäftigt sich seit Jahren mit dem Einfluss der Klimaerwärmung auf die Wintersportgebiete. Mich nimmt wunder, was er angesichts der aktuellen Veränderungen in den nächsten Jahren erwartet. Wie dürfte sich die Zukunft der Wintersportgebiete entwickeln? Wird es immer weniger geben? Wird es nur noch die ganz grossen geben, welche Geld für Investitionen haben? Wie sehen Sie das? Vonseiten des Schnees wird es sicher immer herausfordernder. Das wird darauf hinauslaufen, dass irgendwann gewisse Gebiete diesen Aufwand nicht mehr treiben wollen oder können. Wenn man den Wintertourismus anschaut, hat man in der Vergangenheit gesehen, dass da relativ viel öffentliches Geld drinsteckt.

Dann ist es letztlich keine klimatische oder wirtschaftliche Frage, sondern eine politische. Also leisten wir uns ein Skigebiet? So, wie wir uns vielleicht ein Hallenbad leisten. So ein kleines Gebiet wie dieses, welches nicht beschneit wird und dadurch auch nicht immer einen perfekten, weissen Teppich hat - ist das überhaupt noch zukunftsfähig? Der Wintergast besteht nicht nur aus Skifahrerinnen und Skifahrern. Es gibt ganz viele Leute, die in ihren Winterferien oder an ihren verlängerten Wochenenden in den Bergen nicht einmal auf den Skiern oder auf dem Snowboard stehen. Das ist vielleicht auch wichtig, wenn man das Thema, wie es mit dem Wintertourismus weitergehen soll, diskutiert.

Dass man das Thema eben nicht nur aus der Sicht der Skifahrer oder der Bergbahnen anschaut, die natürlich die Skifahrer und Snowboarder wollen. Die haben ganz spezifische Interessen. Man sollte das auch ein bisschen breiter anschauen. Beispielsweise aus Sicht eines Hoteliers: Der Winterwanderer zahlt genau gleich viel für die Übernachtung wie die Skifahrerin. Wird denn der Wintersport zu fest aus der Bergbahnen- Perspektive angeschaut? Es ist das dominante Thema.

Es ist das dominante Thema in der Wissenschaft, in der Öffentlichkeit, auch in den Medien. Das ist sicher so. Aber es ist mehr als Bergbahnen, Skifahren und Snowboarden. "Ist das Skifahren überhaupt noch zu retten?", habe ich am Anfang gefragt. Die Antwort ist am ehesten: "Ja, aber ..." - wegen der Klimaerwärmung.

Sie wird in tieferen Lagen immer mehr verunmöglichen, dass überhaupt eine Piste zustande kommt. In den höheren Gebieten bleibt die Beschneiung der Rettungsanker. Allerdings wieder mit einem Aber: Die Ressourcen Wasser und Energie werden künftig eher knapper. Als Lösungsansatz kommt ein smartes Wassermanagement infrage, kombiniert mit einer nachhaltigeren, unabhängigeren Energieversorgung.

Und: Bei immer kürzeren Wintern wird der Ganzjahrestourismus mehr Gewicht bekommen. Also nicht nur das Klima verändert sich - auch die Wintersportgebiete. Zumindest die, die nicht jeden Winter eine Hängepartie wegen des Schnees riskieren wollen. Nicht nur die Skigebiete kommen ins Schwitzen, sondern auch die Gletscher. Hier kann man eine unglaubliche Reise 100 m tief in den Plaine-Morte-Gletscher machen.

Ein Wahnsinnsabenteuer mit magischen Bildern. Viel Spass!

2023-04-01 23:54

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